Hausnummern, Häuser und ihre Geschichte II

In der Presserückschau vom Dezember 1868 wurden zwei Häuser zum Verkauf angeboten: Lit. A. №. 90 und Lit. A. №. 226.

Auf Dillingens damaligem Stadtplan kann man nachsehen, welche Häuser das sind, sie sind auf der Karte mit goldenen Tropfen markiert.

Beide Gebäude stehen noch:

Welche Geschichten können diese Gebäude erzählen? Die Hausnummern waren gerade neu vergeben, die Verwaltung von Stadt und Hochstift Dillingen wurde am Ende des Alten Reiches modernisiert und rationalisiert, als die Brandsteuer eingeführt wurde, deren Unterlagen wertvolle Hinweise geben können.

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„Register über die eingenommene vierte Brandsteuer Belege de anno 1801.“

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In der heutigen Webergasse war ein „Major von Stain“ brandsteuerpflichtig, in der Donauvorstadt die Witwe des Adam Gerold. Der Wert der Häuser ist oben mit 1600 Gulden taxiert, unten mit 2030 Gulden.

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„Stadt-Steuer Bezugs-Register pro anno 1803“

Das Stadtsteuer-Bezugsregister von 1803 zeigt bereits eine Veränderung:

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Die Familie des Freiherrn von Stein wohnte noch in der alten Adresse und hatte in der Altstadt Nachtwachgeld zu entrichten, die Witwe des Adam Gerold war entweder verstorben oder verkaufte das Haus aus wirtschaftlichen Gründen an Xaver Waiß; eine alleinstehende Witwe hatte in den damaligen Zeiten keine Absicherung, darüber hinaus befand man sich im Krieg mit Napoleons Frankreich und die Zeiten waren unsicher.

In den Jahren 1805/1806 war das Ende des Alten Reiches gekommen und somit auch das Ende Dillingens als Haupstadt des Hochstiftes des Fürstbischofs von Augsburg.

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„Bezugs-Register für die Kriegs-Steuern. pro 1805/6.“

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Peter Fleschütz taucht als Besitzer auf, der Major von Stein mag sich im Feldzug gegen Napoleon befunden haben oder war mit der Auflösung des Hochstiftes schlichtweg arbeitslos geworden sein, wenn er als Beamter am Hof des Fürstbischofs eine Stellung gehabt haben sollte. Xaver Waiß befindet sich nach wie vor in der Donauvorstadt.

Chaotische Zeiten begannen durch die Auflösung des Alten Reiches und somit auch durch das Ende Dillingens als Haupstadt des Hochstiftes des Bistums Augsburg. Ganze Behörden fielen weg oder wurden durch neue ersetzt. Ämter, Ränge und Arbeitsplätze waren mit einem Federstrich dahin – es sind nicht nur die Arbeitsplätze hoher Beamter, es hängen an den Behörden als Brotgeber auch die einfachen Menschen als Lohnempfänger mit ihren Familien.

Man denke da nur an das einst fürstbischöfliche Hofbrauhaus zu Dillingen: auch hier stand zunächst der Betrieb still. Es mußten Käufer gefunden werden, die mit genügend Rücklagen und Wissen ausgestattet, den Braubetrieb wieder aufnehmen konnten: inzwischen waren die Brauknechte, Fuhrleute, Faßbinder und alle, die vom Braubetrieb unmittelbar und mittelbar lebten, arbeitslos.

Eine Besitzstanderhebung aus dem Jahre 1808 zeigt auf, wie schnell sich die Verhältnisse ändern konnten.1808

Peter Fleschütz kaufte das Haus nicht direkt von Major von Stein, ein „Freyfräulein von Zech“ taucht als Zwischenbesitzerin auf. Der Postbriefträger hat das Haus wohl möbliert kaufen können.

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Fleschütz1808b
„Ist gerichtbar zur Stadt Dillingen/hat solche laut Prot. vom 5. Julj 1808 von/dem Frey-Fräulein von Zech mit Ein-/schlusse einiger Mobillien erkauft pe/zahlt auch eine einfache Steur.“

Die Familie von Zech existiert heute nur noch in einem ungarischen Zweig. Aus Tirol stammend stiegen sie in Augsburg auf und kauften die Herrschaft Deubach (bei Gessertshausen), nach der sie sich als „Freiherren Zech von Deybach, Sulz und Hart“ benannten. Mit dem Ende des Alten Reiches war auch ihr Besitz und ihre Stellung dahin (weiterführende Einträge zur Familie Zech: http://www.literature.at/viewer.alo?objid=12543&viewmode=fullscreen&scale=3.33&rotate=&page=247). Es ist gut möglich, daß auch sie durch den Verlust des Besitzes in Deubach gezwungen war, das Haus weiterzuverkaufen.

Nach dem Ende der Franzosenzeit kehrte jedoch langsam Ruhe ein, Dillingen wurde zu einem Garnisonsstandort der Königlich Bayerischen Armee, womit nach einigen Jahrzehnten der Durststrecke wenigstens die gröbsten wirtschaftlichen Ausfälle gelindert werden konnte.

1827 wohnte nun der Schneider Bruggeir im Haus Nr. 90 und in der Donauvorstadt, Haus Nr. 226 der Seifensieder Mairhofer:

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Joh. Bruggeir Schneider, Alter 44; Maria gebohrene Schneid, Alter 45; 2 Kinder: Johan Baptist und Joseph
mairhofer
Johann Nepomuk Mairhofer Seifensieder, Alter 24; Maria Anna, gebohrene Wesser von Günzburg, Alter 28