Fundstück(e) der Woche: von der St. Wolfgangs-Kapelle nach Neresheim

Das älteste Gebäude entlang der Kapuzinerstraße ist sicherlich die St. Wolfgangs-Kapelle, die momentan renoviert wird:

1536 wurde die Friedhofskapelle errichtet, 1591 umgebaut, im Laufe der Jahre mehrfach erweitert, der Friedhof erst 1909 aufgelassen.

An den Außenmauern sind zahlreiche Epitaphe angebracht, wie man sie übrigens auch in der Studienkirche und an der Stadtpfarrkirche finden kann. Eines der der Epitaphe an der Südseite lautet:

„Hr. Michael Fischer bürgerl. Bildhauer u. Hauptmann
der ehemal Bürger Garde gest. 1801 den 27 März.
Seiner Hausfrau Maria Theresia, gest. den 28. April 1812.
Kinder:
Anton, Bildhauer gest. den 22. März 1773.
Maria Anna
Johann Nepomuk, Zeichnungsmeister an der hiesigen
Academie gest. den 5t. April 1801.
Aloysius, Bildhauer gest. am 23. Mai 1804
Franz Xaver Bildhauer, gest. den 7. April 1809.
setzte dieses Denkmal Barbara Fischer 1812.“

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Es liegt nicht an einer falschen Belichtung, daß es nahezu unleserlich ist; das Epitaph ist im Laufe der letzten 200 Jahre der Witterung ausgesetzt gewesen, Wind und Wetter, Schnee, Regen und Hitze haben ihre Spuren hinterlassen.

Dieser Johann Michael Fischer ist    n i c h t     der Baumeister, sondern der Bildhauer, der 1717 in Veitshöchheim geboren wurde, 1746 in Dillingen die Tochter des Bildhauers Stephan Luidl heiratete und die Werkstatt des bereits 1736 verstorbenen Schwiegervaters weiterführte. Fischer wirkte nicht nur in Dillingen, in mehr als 50 Kirchen Schwabens und darüber hinaus schuf er neben Heiligenstatuen, Altären und  Kanzeln komplette Innenausstattungen von Kirchen. Er war zu seiner Zeit   d e r   Bildhauer zwischen Ulm und Ingolstadt.

Daß der von Dillingen aus wirkende Fischer keinesfalls ein Künstler zweiten Ranges war, zeigt die Tatsache, daß er zum Bau der Abteikirche von  Neresheim (das Kloster wurde  1095 von Graf Hartmann I. von Dillingen und seiner Frau Adelheid von Winterthur-Kyburg gegründet) im Jahre 1767 die monumentalen Figuren des Heiligen Ulrich und der Heiligen Afra über dem Hauptportal schuf. Kaum überließe man einem minderwertigen oder zweitrangigen Künstler die Gestaltung des Hauptportals einer Kirche, über die die Nachwelt urteilte, sie sei ein „Meisterwerk der europäischen Barockbaukunst“ und „Die Barockarchitektur nicht nur Deutschlands, sondern Europas hat weniges, was sich mit diesem Raum messen kann.“ Hätte man einen Entwurf Neresheims auf dem 50 DM-Schein der letzten Serie von Banknoten, die vor der Einführung des Euros in Umlauf war, abgebildet, wäre sie nur ein beliebiges Bauwerk?

 

Neresheim ist immer einen Ausflug wert, es ist nicht nur die Abteikirche, die eindrucksvoll ist; da das Wochenende sonnig werden soll, kann ich einen Besuch Neresheims nur empfehlen!